Prof. Dr. Andrés Ceballos-Baumann
Facharzt für Neurologie
Multiple Sklerose (MS) ist eine der häufigsten Erkrankungen des zentralen Nervensystems. Meist beginnt die Erkrankung im jüngeren Erwachsenenalter. Frauen erkranken doppelt so oft wie Männer. MS kann zu vorübergehenden oder bleibenden Behinderungen führen, die sich auf Familie, Partnerschaft, Beruf und das eigene seelische Befinden auswirken. Die Behandlungsmöglichkeiten haben sich in den letzten Jahren rapide weiterentwickelt. So können viele Medikamente den Krankheitsverlauf günstig beeinflussen. Zudem gibt es bewährte Behandlungsmethoden zur Linderung von Symptomen und Verbesserung der Lebensqualität. Selbsthilfegruppen und Verbände wie die Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) bieten weitere Hilfe.
In den Schön Kliniken sind wir auf die Diagnostik und Behandlung von Multipler Sklerose spezialisiert. Unser Ziel ist es, den Krankheitsverlauf positiv zu beeinflussen und Ihre Symptome im Hinblick auf eine bessere Lebensqualität zu behandeln.
Die Multiple Sklerose zählt zu den häufigsten neurologischen Krankheiten.
Während Epilepsie und Schlaganfälle historisch schon aus der Frühzeit der Menschheitsgeschichte bekannt sind, stammen die ersten plausiblen Fallbeschreibungen einer MS erst aus dem späten Mittelalter und nehmen seither zu.
Bei der großen Mehrheit der Betroffenen beginnt die Erkrankung im jungen Erwachsenenalter. Bei einigen Patientinnen und Patienten tritt der Erkrankungsbeginn bereits im Kindesalter oder aber erst im höheren Lebensalter auf. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Die Multiple Sklerose ist derzeit noch nicht heilbar und verläuft chronisch. Allerdings gab es gerade in jüngerer Zeit eine Vielzahl neu zugelassener Medikamente zur Verbesserung des Krankheitsverlaufs bei MS-Patientinnen und -Patienten.
Multiple Sklerose ist bezüglich ihrer Ursachen noch nicht vollständig aufgeklärt. Zumindest am Anfang steht ein Autoimmunprozess, wobei ein fehlgeleitetes Immunsystem von Lymphozyten (B-Zellen und T-Zellen) bei Störung der Blut-Hirn-Schranke zu chronischen Entzündungen im zentralen Nervensystem führt. Im weiteren Krankheitsverlauf geht die Multiple Sklerose mit einem zunehmenden Verlust von Nervenzellen einher (Neurodegeneration). Als Ursache bzw. Risikofaktoren für die Erkrankung haben jüngere Studien mehr Umweltfaktoren als genetische Risiken identifiziert. Eine durchgemachte Infektion mit dem Epstein-Barr-Virus (EBV-Infektion) scheint ein häufiger, aber allein nicht hinlänglicher Risikofaktor für eine MS zu sein. Daneben spielen offenbar Vitamin-D-Mangel (einschl. eines niedrigen Vitamin-D-Spiegels), verminderte Sonnenexposition, Ernährungsgewohnheiten mit Übergewicht, Rauchen und eine ungünstige Konstellation von Darmbakterien bei der Entstehung von MS eine Rolle. Nur selten dominieren genetische Ursachen mit einer Häufung von Multipler Sklerose Erkrankungen innerhalb einer Familie.
Die Diagnose Multiple Sklerose (MS) ist heute anhand klarer klinischer sowie technischer Diagnosekriterien meist schnell und sicher zu stellen. Differenzialdiagnostisch müssen andere Erkrankungen erwogen werden, die der MS ähneln. Es wurde z. B. die Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankung früher als eine MS-Variante betrachtet. Mittlerweile weiß man, dass sie durch eigenständige Diagnosemarker und Behandlungen gekennzeichnet ist.
Für die Diagnose Multiple Sklerose sind eine Befragung der oder des Betroffenen nach MS-Symptomen (Anamnese), eine neurologische Untersuchung, eine Kernspintomografie des zentralen Nervensystems (von Gehirn und Rückenmark) sowie eine Nervenwasseruntersuchung (Lumbalpunktion) von zentraler Bedeutung. Zusätzlich können bei Multipler Sklerose elektrophysiologische Untersuchungen, wie evozierte Potenziale, bei der Diagnose helfen.
Die Multiple Sklerose kann sich durch sehr unterschiedliche neurologische und neuropsychologische Symptome zeigen. Dies ist in gewisser Weise davon abhängig, welche Regionen des zentralen Nervensystems von der Erkrankung betroffen sind. MS-Patientinnen und -Patienten können offensichtliche Symptome aufweisen, wie Gangstörung, Koordinationsstörung, Zittern, Sprechstörung, Augenbewegungsstörungen, Lähmungen und Muskelverkrampfungen (Spastik). Für die Lebensqualität der Betroffenen mit Multipler Sklerose spielen aber in besonderem Maße „unsichtbare“ Symptome, wie ein vermehrter Harndrang und Inkontinenz, Schmerzen, Sensibilitätsstörungen, Seh- bzw. Wahrnehmungsstörungen sowie emotionale und kognitive Probleme, eine Rolle. Eines der häufigsten Symptome bei Multipler Sklerose ist die sogenannte Fatigue. Diese ist eine hohe körperliche und/oder mentale Erschöpfbarkeit, manchmal bei Temperatursteigerung besonders ausgeprägt. Die Multiple Sklerose führt auch oft zu mangelnder Konzentrations- und Merkfähigkeit. Patientinnen und Patienten leiden überdies häufig an depressiven Symptomen.
Der Verlauf der Krankheit ist individuell unterschiedlich. Die Lebenserwartung ist statistisch kaum reduziert. Man kann folglich mit der Erkrankung alt werden. Zum weit überwiegenden Teil beginnt sie mit einem schubförmig remittierenden Verlauf (schubförmig remittierende Multiple Sklerose, = RRMS). Damit ist gemeint, dass die Patientinnen und Patienten neue Symptome entwickeln, die sich im Verlauf meist von Wochen mehr oder weniger vollständig wieder zurückbilden können. Nur ein kleiner Teil der MS-Patientinnen und -Patienten hat von Beginn an einen schleichend fortschreitenden, primär progredienten Verlauf (primär progrediente Multiple Sklerose, PPMS). Etwa die Hälfte der von Multiple Sklerose Betroffenen mit anfänglichen Schüben geht nach mehreren Jahren ebenfalls zu einem chronisch progredienten Verlauf über (sekundär progrediente Multiple Sklerose = SPMS), bei dem sich eine zunehmende Behinderung ausbilden kann. Es existieren einzelne Fälle einer „gutartigen“ MS, bei der auch ohne Behandlung ein Leben lang nur gelegentliche Schübe ohne verbleibende wesentliche Behinderungen auftreten. Allerdings gibt es in den ersten Jahren keine sicheren Prognosekriterien bei Multipler Sklerose, anhand derer sich ein solcher gutartiger Verlauf vorhersagen lässt.
Die Multiple Sklerose ist zwar bis jetzt noch nicht heilbar, aber es existiert ein großes therapeutisches Instrumentarium, um Lebensqualität und Verläufe zu verbessern.
Die Behandlung von Multiple Sklerose-Patienten umfasst drei Zielbereiche: Therapie des akuten Schubes, Therapie des Krankheitsverlaufs, symptomorientierte Therapie. Hierfür stehen medikamentöse und nichtmedikamentöse Behandlungen zur Verfügung, die individuell ausgewählt und ambulant oder stationär durchgeführt werden.
Ein akuter Multiple Sklerose Schub wird in der Regel mit einer intravenösen Kortisontherapie über drei bis fünf Tage behandelt. Bei dieser kurzzeitigen Gabe ist Kortison meist gut verträglich. Bei fehlender Rückbildung der Symptome der MS kann eine noch höhere Dosierung von Kortison oder eine Blutwäsche (Plasmapherese) versucht werden.
Der Einsatz von Medikamenten, die den Verlauf der schubförmig remittierenden MS abmildern oder sogar „ausbremsen“ können (Immunmodulatoren), wird heute meist möglichst früh nach der Diagnose empfohlen. Ziel ist es, prophylaktisch weitere Schübe zu verhindern und eine Zunahme von Behinderung zu vermeiden. Dazu stehen Medikamentengruppen mit unterschiedlichen Wirkstärken, aber auch verschiedenen Nebenwirkungsprofilen zur Verfügung. Neben den klassischen, als Spritzen verabreichten MS-Medikamenten (Beta-Interferone, Glatirameroide) werden Tabletten (Teriflunomid, Dimethylfumarat, Cladribin, S1P-Rezeptormodulatoren) und – bis auf eine Ausnahme – als intravenöse Infusion verabreichte monoklonale Antikörper (Natalizumab, Ocrelizumab, Rituximab, Alemtuzumab, Ofatumumab) eingesetzt. Die Entscheidung, welches Medikament ausgewählt wird, erfolgt nach eingehender Aufklärung zusammen mit der Patientin oder dem Patienten. Dabei spielen die Abwägung der Schwere des bisherigen Verlaufs der MS (Schubhäufigkeit, Schubschwere, Rückbildung, MS-Herde im Kernspintomogramm), individuelle Risiken von Nebenwirkungen (einschl. des Themas Kinderwunsch bei weiblichen MS-Betroffenen) und persönliche Prioritäten der Patientin oder des Patienten eine Rolle.
Für die Behandlung von und sind derzeit nur wenige der oben genannten Medikamente formal zugelassen. Sie wirken wahrscheinlich auch lediglich in frühen Phasen der Krankheit mit Zeichen der entzündlichen Aktivität.
Trotz aller neuer immunmodulierender Medikamente hat die Behandlung von Symptomen bei Multiple Sklerose nach wie vor eine zentrale Bedeutung. Entscheidend ist dabei, zusammen mit den Betroffenen zu erarbeiten, welche Symptome individuell besonders störend für die Lebensqualität sind, um daran die Behandlung auszurichten. Medikamente sind hierbei nur ein Teil des Behandlungskonzepts bei Multiple Sklerose. Als Beispiele seien Fampridin bei Gangstörung, Cannabis-Mundspray bei Spastik und Schmerz, Amantadin bei Fatigue, Antiepileptika bei neuropathischen Schmerzen oder Antidepressiva bei Depression genannt. Nichtmedikamentöse Behandlungsansätze umfassen aktivierende bzw. rehabilitative Therapien bei Multipler Sklerose. Ein Teil von ihnen hat in Studien einen klaren Wirknachweis bei MS erbracht. Möglicherweise verbessern sie nicht nur Symptome, sondern können auch den Verlauf der Krankheit günstig beeinflussen. Wichtige Therapiebereiche sind Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie sowie Neuropsychologie / Psychotherapie. Allerdings sind auch multimodale, achtsamkeitsbasierte Therapieansätze, z. B. Tai-Chi, therapeutisches Klettern oder tiergestützte Therapie, individuell ausgewählt vorteilhaft.
Für die richtige Behandlung bei Diagnose Multiple Sklerose sind unsere spezialisierten Neurologinnen und Neurologen in der Schön Klinik München Schwabing gerne Ihre kompetenten Ansprechpartnerinnen und -partner. Anhand einer umfassenden Diagnostik erarbeiten wir für Sie eine individuelle Therapie, die sowohl körperliche als auch psychologische Aspekte berücksichtigt. Dazu zählen die Behandlung akuter Schübe, Therapieentscheidungen zum Einsatz verlaufsmodifizierender Medikamente sowie die symptomorientierte Behandlung (zum Beispiel bei Spastik, Fatigue oder Blasenstörungen) mit aktivierenden und medikamentösen Therapien. Sämtliche Maßnahmen legen wir nach eingehender Aufklärung und Beratung in enger Abstimmung mit Ihnen fest.