Dr. Robert Doerr
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Facharzt für Nervenheilkunde
Putzen, Händewaschen, Ordnunghalten – alles ganz normale Handlungen. Aber die Grenze zum Zwang verläuft fließend. „Ich muss das immer wieder tun, obwohl ich weiß, dass es unsinnig ist“, „Ich fühle mich wie verrückt bei klarem Verstand“ – diese oder ähnliche Äußerungen hört man immer wieder von Menschen, die an einer Zwangsstörung (früher auch: Zwangsneurose) leiden. Solche Zwänge schränken die alltägliche Lebensführung erheblich ein.
Unser ärztliches Personal an den Schön Kliniken ist auf psychische Erkrankungen spezialisiert. Mit effektiven Therapien helfen wir Ihnen dabei, Ihre Zwänge zu bewältigen.
Die Zwangsstörung ist die vierthäufigste psychische Störung und stellt ein schwerwiegendes psychisches Gesundheitsproblem für Betroffene dar. Epidemiologischen Studien zufolge sind zwei bis drei Prozent der Bevölkerung betroffen. Ganz normale, alltägliche Handlungen, die sich beispielsweise um die Themen Sauberkeit, Ordnung und Kontrolle drehen, führen im Rahmen von Zwangserkrankungen zu erheblichen Einschränkungen in der Lebensführung. Die Symptome der Zwangsstörung äußern sich in bestimmten Handlungen der Betroffenen: So berichten Patientinnen und Patienten beispielsweise, dass sie nicht aufhören können, sich zu waschen, solange sie sich nicht sauber fühlen. Oder das Verlassen der Wohnung fällt schwer, wenn nicht alles an seinem Platz ist. Häufig tritt auch der Zwang auf, immer wieder den Herd, die Tür oder die Fenster kontrollieren zu müssen, da den eigenen Augen oder der eigenen Wahrnehmung nicht mehr vertraut wird. All das hinterlässt bei den Betroffenen unangenehme Gefühle. Viele Betroffene berichten auch davon, dass sie sich gegenüber der Familie schämen und vor den Reaktionen anderer Menschen Angst haben, weil sie so viel Zeit für ihre Zwänge brauchen und die Symptome ihr Leben bestimmen. Spätestens dann sollten sich Betroffene einer kognitiven Verhaltenstherapie unterziehen. Das Team des Fachzentrums für Psychosomatische Medizin der Schön Klinik Berchtesgadener Land bietet professionelle Hilfe für Betroffene.
Es gibt mehrere Risikofaktoren, die für die Entstehung dieser Erkrankung in der Forschung belegt sind und in Fachkreisen diskutiert werden. Neben einer genetischen Disposition werden neurobiologische Faktoren, der Einfluss von Erziehungsstilen und das Modelllernen, prägende Lebensereignisse und Traumata sowie Persönlichkeitseigenschaften angeführt. Als Auslöser für das Auftreten oder die Verschlechterung von Zwangsstörungen werden oftmals emotional belastende Lebensereignisse berichtet, die mit intensiven, negativen Emotionen verbunden sind.
In der Schön Klinik Berchtesgadener Land können wir Ihnen helfen, wieder mehr Kontrolle in Ihrem Leben zu erfahren und die mit den Symptomen verbundenen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen deutlich zu reduzieren. Exzessive Zwangsgedanken und Zwangshandlungen (ICD-10-Kategorie F42) sind therapeutisch behandelbar. Die Therapie von Zwangsgedanken zeigt sich bei vielen Patientinnen und Patienten als besonders schwierig und herausfordernd. So können sich die Symptome beispielsweise auf aggressive, sexuelle und blasphemische Inhalte beziehen. Auch sogenannte Grübelzwänge, pathologischer Zweifel, magisches Denken oder gedankliche Zwangsrituale und Zählzwänge werden als sehr belastend beschrieben. Hier braucht es spezifische Erfahrung und therapeutische Expertise, die wir Ihnen in der Schön Klinik Berchtesgadener Land im Fachzentrum für Psychosomatische Medizin bieten können.
Mit dem Diagnosesystem ICD-11 führt die WHO weitere Unterformen der Zwangsstörung, wie körperdysmorphe Störungen, Dermatillomanie, Trichotillomanie, pathologisches Horten und Hypochondrie in einer eigenen Kategorie der Zwangsspektrumsstörungen auf, die isoliert oder in Verbindung mit anderen Zwangsgedanken und Zwangshandlungen auftreten können.
Des Weiteren können neben den Zwängen zudem andere psychische Erkrankungen vorliegen. Angststörungen, Depressionen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen, Traumafolgestörungen oder auch das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom sind dabei typisch. Entsprechend ist eine gute Psychodiagnostik nötig, um die Therapie individualisiert und bestmöglich anpassen sowie ergänzen zu können. Unser Team, bestehend aus Psychiaterinnen und Psychiatern, Psychotherapeutinnen und -therapeuten und qualifizierten Co-Therapeutinnen und -Therapeuten, bietet Ihnen entsprechend dem neuesten Stand der Wissenschaft eine spezifische und auf die Erkrankung abgestimmte Behandlung mittels kognitiver Verhaltenstherapie. Ziel ist es, die Symptome der Betroffenen langfristig zu lindern und die Zwangsstörung zu heilen.
Zu Beginn des stationären Aufenthalts in der Schön Klinik Berchtesgadener Land führen die Patientinnen und Patienten mit den Therapeutinnen und Therapeuten ausgiebige Diagnostik- und Anamnesegespräche durch, um die Zwangssymptomatik zu verstehen und die adäquate Verhaltenstherapie einleiten zu können. Anschließend wird ein individualisierter Therapieplan mit Schwerpunkt auf verhaltenstherapeutisch fundierten Einzel- und Gruppentherapien erarbeitet. Im Vordergrund der Behandlung steht die Psychotherapie. Die Patientinnen und Patienten sollen lernen, sich den kritischen Auslösesituationen der Zwangssymptomatik zu stellen und neutralisierende Zwangshandlungen zu unterlassen. Zum Beispiel soll geübt werden, den Herd in der Küche zu nutzen und anschließend eine wiederholte Kontrolle der Herdplatten zu unterlassen.
Der Austausch mit anderen Patientinnen und Patienten in der Stationsgemeinschaft unserer Zwangsschwerpunktstation ist insbesondere wertvoll, um eine größtmögliche Normalität im Alltag und im Umgang mit den Zwangsstörungen wiederherstellen und Techniken zur Selbsthilfe erarbeiten zu können. Entsprechend der S3-Leitlinie zur Behandlung von Zwangsstörungen werden zudem bei Bedarf unterstützend Medikamente, wie selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), eingesetzt. Die medikamentöse Behandlung wird jedoch individuell auf die Betroffenen abgestimmt.
Die stationäre Behandlung der Zwangserkrankung findet in drei Phasen statt:
1) Aufbau einer tragenden therapeutischen Arbeitsbeziehung, Steigerung der Therapie-, Änderungsmotivation und Psychoedukation in Bezug auf das Störungsmodell, die aufrechterhaltenden Faktoren, die Funktionalität.
2) Therapeutisch begleitete Zwangsexpositionsübungen und Auseinandersetzung mit den kritischen, angstbesetzten Situationen. Hierbei wird im Rahmen der erarbeiteten Zwangshierarchie schrittweise exponiert und auf Selbstbestimmung und Freiwilligkeit in der Durchführung geachtet. Alternative Verhaltensweisen werden vermittelt. Die alltagsnahen Expositionsübungen stellen das zentrale Element der Behandlung von Zwangserkrankungen dar. Die therapeutische Unterstützung im Umgang mit den als unangenehm empfundenen Gedanken, Gefühlen und bei der Überwindung der Zwangsrituale ist gerade am Anfang der Expositionsübungen therapeutisch indiziert.
3) Zum Ende des stationären Aufenthalts stehen die Vorbereitung der Entlassung in das eigene häusliche Umfeld sowie der Übertrag der erlernten Inhalte in den Alltag im Fokus der therapeutischen Bemühungen.
Das ärztliche und psychotherapeutische Personal der Schön Klinik Berchtesgadener Land in Schönau am Königssee ist auf psychische Erkrankungen spezialisiert und behandelt Ihre Zwangsgedanken mit modernsten Methoden und Techniken. Mit effektiven Therapien helfen wir Betroffenen dabei, ihre Zwänge zu überwinden und ihre Zwangsgedanken langfristig loszuwerden. Ziel ist ein normales Leben ohne Zwänge und Angst.