Prof. Dr. Ulrich Pulkowski
Facharzt für Neurologie
Spezielle Schmerztherapie
Intensivmedizin – Notfallmedizin
Die Behandlung der Epilepsie richtet sich nach dem individuellen Krankheitsbild, den Lebensumständen des betroffenen Menschen und seinen Bedürfnissen. Im Vordergrund steht neben einer umfassenden (auch wiederholten und begleitenden) Beratung und Schulung die Auswahl und Dosierung der antiepileptischen Medikamente mit dem Ziel der Anfallsfreiheit, mindestens aber der Kontrolle von Anfallshäufigkeit und Vermeidung von Anfallsfolgen.
Sofern sich anhand der Diagnostik die Möglichkeit ableiten lässt, sind sogenannte epilepsiechirurgische Eingriffe im Gehirn und Stimulationsverfahren (Vagusnerv-Stimulation, VNS) geeignet, die Art und Häufigkeit epileptischer Anfälle zu kontrollieren, die Beeinträchtigung des epilepsiekranken Menschen im Alltag zu mindern und seine Lebensqualität zu verbessern.
Oft weiß man nicht, wann die epileptischen Anfälle auftreten, und wenn sie auftreten, geschieht es zum Teil sehr schnell. Deshalb ist eine lediglich bedarfsweise Einnahme von Epilepsie-Medikamenten meist nicht möglich. Bei einer diagnostizierten Epilepsie müssen Sie Ihre Medikamente täglich und regelmäßig einnehmen, selbst wenn jährlich nur ein epileptischer Anfall passiert oder Sie unter anti-epileptischer Medikation anfallsfrei sind, was ein wichtiges Therapieziel ist.
Die Wahl Ihres Medikaments ist von mehreren Faktoren abhängig:
Zum Teil dauert es einige Wochen oder sogar Monate, bis eine verlässliche Wirkung eintritt beziehungsweise die Effekte des Medikaments beurteilbar sind. Auch ist die Wirksamkeit vieler Medikamente dosisabhängig und es bedarf meist einer längeren Eindosierungs- und Erprobungsphase. Tritt schließlich Anfallsfreiheit ein, sollten Sie die Medikamente noch mindestens ein bis zwei Jahre weiternehmen und ein ausschleichendes Absetzen sehr sorgfältig mit Ihrer behandelnden Epileptologin beziehungsweise Ihrem behandelnden Epileptologen planen.
„Notfallmedikation“
In der Regel hören epileptische Anfälle von alleine wieder auf. Es gibt aber auch Medikamente, die in Notfällen eingesetzt werden können oder eingesetzt werden müssen.
Mögliche Notfälle:
Durch Ernährungsumstellung epileptische Anfälle verringern? Mithilfe der ketogenen Diät oder der modifizierten Atkins-Diät ist das tatsächlich möglich.
Dabei wird die Ernährung auf fettreichere, kohlenhydratreduzierte Produkte umgestellt. Wer jetzt an Currywurst, Braten und Burger denkt, liegt falsch. Die ketogene Diät ist das genaue Gegenteil. Es werden vorwiegend gesunde Fette verwendet. So kann nicht nur die Anzahl epileptischer Anfälle verringert, sondern auch Ihr Ernährungszustand verbessert werden. Gleichzeitig können durch die Ernährungsumstellung Medikamente reduziert oder manchmal sogar überflüssig werden.
Verhaltensorientierte Strategien werden meist ergänzend zu Ihrer medikamentösen Therapie eingesetzt und in der Regel von Ihrer Krankenkasse bezahlt. Die psychotherapeutische Behandlung fördert gezielt die „Anfallsselbstkontrolle“ und kann Ihnen helfen, Konflikte und Ängste abzubauen sowie effektivere Verhaltensweisen für schwierige Situationen zu entwickeln.
Nach und nach lernen Sie, Ihre Krankheit besser zu verarbeiten, zu akzeptieren und mit ihr umzugehen. Durch die psychische Entlastung kann es zu einer deutlichen Verbesserung der Anfallssituation kommen, besonders dadurch, dass die Angst vor der Krankheit gemildert wird. Manchmal verbessert sich auch der Umgang mit den Medikamenten, sodass deren Wirksamkeit erhöht wird.
Bestandteile der Therapie:
Das Anfallstagebuch
Bei manchen Menschen führen bestimmte Auslöser, wie ein Schreck oder Flackerlicht, fast immer zu einem Anfall. Manche anfallsfördernde Faktoren erhöhen erst in Kombination die Wahrscheinlichkeit eines Anfalls: Hier führt dann ein Schreck zum Beispiel nur bei zusätzlicher Anspannung oder Müdigkeit zu einem Anfall. Um solche Zusammenhänge zuverlässig zu entdecken, ist eine genaue Beobachtung erforderlich, am besten in Form eines Tagebuchs. Hier halten Sie fest, welche Faktoren Ihre Anfälle fördern, wie diese aussehen und wie oft und in welchen Formen sie auftreten, aber auch, in welchen Situationen selten oder nie Anfälle auftreten. Diese „stabilen Lebenssituationen“ sind für die Behandlung sehr wichtig. Sie zeigen Möglichkeiten eines besseren Umgangs mit anfallfördernden Situationen und verringern so die Angst vor Anfällen.
Wenn wir anfallsfördernde Faktoren ermittelt haben, erarbeiten wir gemeinsam mit Ihnen einen gesundheitsfördernden Umgang mit diesen Situationen. Anfallsauslöser wie Flackerlicht können Sie zum Beispiel durch das Tragen einer dunklen Brille vermeiden. Faktoren, wie Schreck oder Wetterwechsel, sind unvermeidlich. Wenn man allerdings herausgefunden hat, dass zusätzliche Risikofaktoren, wie Schlafmangel oder Stress, eine Rolle spielen, kann man versuchen, diese zu beeinflussen. Gefühle wie Stress, Ärger oder Freude lassen sich zwar nicht vermeiden, aber man kann lernen, anders mit ihnen umzugehen.
Nach ausführlichen Voruntersuchungen kann eine OP sinnvoll werden, wenn folgende Bedingungen vorliegen:
Bei der OP wird dann der Gehirnabschnitt mit den krankhaften Veränderungen identifiziert und anschließend operativ entfernt. Zwei Jahre nach der OP wird versucht, die Medikamente auszuschleichen.
Wenn eine medikamentöse Therapie nicht geholfen hat und eine operative Entfernung des krankhaften Areals nicht möglich ist, gibt es eine weitere Option: den sogenannten Vagusnerv-Stimulator.
Dieses elektrische Gerät von der Größe einer Streichholzschachtel wird bei einem ambulanten Eingriff in eine Hautfalte unterhalb des Schlüsselbeins gelegt. Der Stimulator sendet nun über einen feinen Draht elektrische Impulse an den Hirnnerv Nervus vagus, der sie ans Gehirn weiterleitet. Dauer, Stärke und Frequenz der Reize müssen bei der nachfolgenden Behandlung schrittweise so eingestellt werden, dass der beste Effekt auf die Anfälle erzielt wird.
Wenn Sie vor einem Anfall Warnzeichen spüren, können Sie mittels eines Magneten das Gerät gezielt anstellen. Manche Anfälle können auf diese Weise unterbrochen werden. Durch die Vagusnerv-Stimulation ist eine deutliche Anfallsreduktion möglich. Auch ein positiver Einfluss auf depressive Stimmungen wurde in vielen Fällen berichtet.
Die Therapie mit Medikamenten wird nach wie vor beibehalten. Nach circa sieben bis zwölf Jahren ist ein weiterer Eingriff für den Batteriewechsel nötig.
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Spezielle Schmerztherapie
Intensivmedizin – Notfallmedizin