Zwangsstörungen bei Jugendlichen
Zwangsstörungen bei Jugendlichen sind ernstzunehmende psychische Erkrankungen, die durch wiederkehrende Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gekennzeichnet sind. Diese Störungen können enorme Belastungen verursachen und die Lebensqualität der betroffenen Jugendlichen erheblich beeinträchtigen.
Bei Zwangsstörungen wird zwischen Zwangsvorstellungen, Zwangsimpulsen und Zwangshandlungen unterschieden, häufig kommen jedoch beide gemeinsam vor. Sie werden von den Betroffenen als unangenehm und aufdringlich sowie übertrieben und unlogisch angesehen, können aber nicht einfach unterlassen werden. Oft ist das Berichten über Zwangssymptome für die Betroffenen auch mit Schamgefühlen verbunden.
Zwangsstörungen bei Jugendlichen sind häufiger, als viele annehmen. Statistischen Schätzungen zufolge treten Zwangsstörungen bei etwa zwei bis vier Prozent der jungen Bevölkerung auf, wobei die Erkrankung sowohl Jungen als auch Mädchen betrifft. Während im Kindesalter Jungen häufiger betroffen sind als Mädchen, ist die Häufigkeit im Jugendalter bei beiden Geschlechter gleich.
Eltern und Erziehungsberechtigte spielen eine wesentliche Rolle, wenn es darum geht, frühe Anzeichen zu erkennen und geeignete Hilfe einzuleiten. Es ist wichtig, dass die Betroffenen wissen, dass Unterstützung verfügbar ist und dass sie in ihrer Situation nicht allein sind, was sowohl das Verständnis für die Störung als auch den Zugang zu geeigneten Therapieangeboten verbessern kann. Eine fundierte Aufklärung über die Ursachen und Auslöser, zusammen mit der Vermittlung effektiver Bewältigungsstrategien, kann entscheidend dazu beitragen, erkrankte Jugendliche zu
Ursachen & Symptome
Was sind Zwangsstörungen ?Zwangsgedanken drängen sich den Betroffenen auf und beschäftigten sie ständig in der gleichen Form. Fast immer sind diese Gedanken bedrohlich oder quälend. Der Versuch, die Gedanken zu unterdrücken, bleibt in der Regel erfolglos.
Zwangshandlungen oder -rituale werden weder als angenehm empfunden, noch dienen sie dazu, an sich nützliche Aufgaben zu erfüllen. Betroffene erleben sie oft als Vorbeugung gegen ein objektiv unwahrscheinliches Ereignis, das ihnen schaden könnte oder bei dem sie selbst Unheil anrichten könnten. Im Allgemeinen erleben die Betroffenen dieses Verhalten als sinnlos und versuchen daher immer wieder, dagegen anzugehen. Angst, Anspannung oder Ekel sind meist ständig vorhanden und verstärken sich weiter beim Versuch, diese Handlungen zu unterdrücken.

Die Ursachen für Zwangsstörungen können vielfältig sein. Es bestehen deutliche Hinweise auf eine genetische Veranlagung, was sich in der familiären Häufung von Zwangsstörungen widerspiegelt. Der genetische Einfluss scheint bei bereits im Kindesalter Erkrankten sowie bei Frauen am höchsten zu sein. Auch treten Zwangsstörungen häufiger bei vorbestehenden Angststörungen auf. Dann dienen Zwangssymptome häufig der Neutralisierung von Ängsten und Befürchtungen. Darüber hinaus können im Kindes- und Jugendalter auch bestimmte bakterielle Infektionen in Einzelfällen Auslöser für eine Zwangsstörung sein.
Stressbelastungen im sozialen Umfeld der Jugendlichen können ebenfalls eine bedeutende Rolle bei der Entwicklung von Zwangsstörungen spielen. Jugendliche sind oft einem gesteigerten sozialen Druck und akademischen Anforderungen ausgesetzt, die als Auslöser oder Verstärker von Zwangsstörungen dienen können. Darüber hinaus können familiäre Probleme oder traumatische Erlebnisse die Entwicklung solcher Störungen oder die Zunahme von Symptomen fördern.
Zwangsstörungen können auch in Verbindung mit anderen psychischen Erkrankungen auftreten, was als Komorbidität bezeichnet wird. Zu den komorbiden Störungen zählen im Kindes- und Jugendalter Aufmerksamkeitsstörungen und Autismusspektrumstörungen. Im Jugendalter können Zwangssymptome auch ein Symptom einer sich entwickelnden Psychose sein. In der Folge einer ausgeprägten Zwangsstörung können sich depressive Symptome durch die hohe Belastung und Alltagseinschränkung aufgrund der Zwänge entwickeln. Häufiger geht der Entwicklung einer Zwangsstörung auch eine Angststörung voraus. In jedem Fall ist eine sorgfältige diagnostische Abklärung erforderlich, um bestehende Symptome korrekt einzuordnen und den am besten geeigneten Behandlungsansatz zu wählen, um eine Verbesserung der Gesamtsituation zu erreichen.
Zwangserkrankte verspüren einen starken inneren Drang, Dinge zu denken oder zu tun, die sie selbst – zumindest zu Beginn der Symptomatik – für unsinnig oder übertrieben halten. Der Versuch, sich gegen diesen Drang zu wehren, gelingt meist nicht oder führt sogar zu einer Zunahme der Gedanken und Impulse. Belastende Gedanken und befürchtete Katastrophen drängen sich immer wieder ins Bewusstsein und lösen massive Unruhe, Anspannung oder Ekel aus. Obwohl der Verstand weiß, dass die Gedanken und Befürchtungen unsinnig oder übertrieben sind, lässt sich das Bedrohungsgefühl nicht beruhigen. Nur durch ritualisiertes Gegensteuern mit Zwangshandlungen oder gedankliche Rituale kann es reduziert werden. Dies kann mitunter bis zu Stunden dauern und den gesamten Tagesablauf beeinträchtigen.
Die Einsicht in die Unsinnigkeit der Gedanken und Handlungen ist häufig mit Scham verbunden. Dies führt dazu, dass viele Betroffene versuchen, ihre Symptome vor Freunden und Familienangehörigen zu verbergen.
Symptome aller Zwangsstörungen
Alle Zwänge haben eine Bedrohungs- und eine Abwehrseite. Beispiel: Ein als unkontrollierbar erlebter Gedanke signalisiert Bedrohung:
„Wenn Du nicht noch einmal kontrollierst, passiert etwas Schlimmes“.
Dieser Gedanke wird durch eine Zwangshandlung neutralisiert, zum Beispiel indem man wiederholt den Herd kontrolliert.
Das Tückische ist, dass sich die Befürchtungen mit einer einmaligen Kontrolle nicht besänftigen lassen. Es braucht mehrmalige zeitraubende Kontrollen und Hilfsrituale oder Rückversicherungen, bis sich eine Beruhigung einstellt. Dies verstärkt in aller Regel die Verunsicherung der Betroffenen.
Symptome bei Wasch- und Kontrollzwängen
Beim Waschzwang befürchten die Betroffenen, sich oder andere Menschen durch Berührung mit gefährlichen Substanzen oder Erregern anzustecken oder zu schaden. Die durch die unangenehmen Vorstellungen verursachte Angst und Ekelgefühle können vermeintlich nur durch umfangreiche Putz- oder Reinigungsrituale gemindert werden.
Menschen, die an einem Kontrollzwang leiden, haben ständig Angst, Katastrophen zu verschulden. Sie befürchten, durch Fahrlässigkeit einen Brand, eine Überschwemmung oder einen Einbruch verursacht zu haben. Andere haben den Gedanken, einen Menschen überfahren zu haben, ohne es zu merken. Sie fahren die Fahrstrecke daher mehrmals ab oder rufen bei der Polizei an.
Symptome anderer Zwangsstörungen
Manche Betroffene werden von ihren Befürchtungen dazu getrieben, magische Rituale oder Regeln einzuhalten, um Unglück von Angehörigen abzuwenden. Sie müssen Dinge in einer ganz bestimmten Reihenfolge und in einer vorgegebenen Häufigkeit tun, zum Beispiel dürfen sie nicht auf Fugen treten. Andere entwickeln Rückversicherungs- und Wiederholungszwänge.
Weitere Symptome
Eine Zwangsstörung tritt oft gemeinsam mit anderen Störungen auf, wie
- Depression
- Panikstörung
- Soziale Phobie
- Persönlichkeitsstörungen
- Körperdysmorphe Störung (übermäßige Beschäftigung mit dem eigenen Äußeren)
- Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätsstörung- (ADHS)
- Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS)
- Essstörungen
Diagnostik
Um Zwangsstörungen bei Jugendlichen effektiv zu diagnostizieren, ist frühzeitig eine umfassende fachliche Diagnostik durch Kinder- und Jugendpsychiaterinnen beziehungsweise -psychiater oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutinnen beziehungsweise -therapeuten erforderlich. Dabei sollte zunächst eine ausführliche Anamnese erhoben werden. Hierdurch lassen sich der Beginn und Verlauf von Symptomen der Zwangsstörung und das Ausmaß der Auswirkungen der Zwangsgedanken und Zwangshandlungen auf das tägliche Leben des Jugendlichen erfassen. Darüber hinaus ist es dabei auch wichtig abzuklären, ob andere psychische Störungen vorliegen, die beim Verständnis der Zwangssymptome oder bei der Planung der Behandlung berücksichtigt werden müssen. Nur durch eine ganzheitliche Sicht auf den Jugendlichen lässt sich ein vollständiges Verständnis für die bestehenden Symptomatiken erzielen. Der Einbezug der Eltern und Erziehungsberechtigten ist dabei besonders wichtig, da sie oft die Ersten sind, die Veränderungen im Verhalten ihres Kindes bemerken; ihr aktives Mitwirken kann entscheidend für eine schnelle und exakte Diagnose sein. Im Rahmen der Diagnostik kommen neben der Anamnese spezifische Fragebögen und Interviews zum Einsatz, um den Schweregrad der Zwangsstörung zu bestimmen und zu differenzieren, ob begleitende psychische Erkrankungen vorliegen. Die Zusammenarbeit von Fachleuten mit Eltern und Jugendlichen schafft eine geeignete Grundlage für die Entwicklung individuell angepasster Therapiepläne, die neben der psychotherapeutischen Behandlung ggf. auch medikamentöse Ansätze umfassen können.