Bulimie bei Jugendlichen
Schätzungsweise leiden fast 22 Prozent aller Jugendlichen zwischen 11 und 17 Jahren an einem gestörten Essverhalten – die Bulimie gilt dabei mit rund 9 Prozent als besonders häufig. Aber was genau ist Bulimie bei Jugendlichen? Die Erkrankung zeigt sich bei betroffenen Jugendlichen vor allem durch unkontrollierbare Essanfälle, häufig bis hin zu Magenschmerzen und Übelkeit. Um ihr Gewicht zu regulieren und dem Kontrollverlust entgegenzuwirken, nutzen sie vermeintlich gewichtsreduzierende Taktiken wie geplantes, selbst induziertes Erbrechen. Aus diesem Grund kennen viele Menschen die Bulimie auch unter dem Namen “Ess-Brech-Sucht”. Besonders häufig sind junge Frauen von der psychischen Erkrankung betroffen. In diesem Beitrag informieren wir über die Ursachen einer Bulimie, mögliche Risikofaktoren und erste Anzeichen. Außerdem erklären wir, welche Behandlungsmöglichkeiten Jugendliche mit Bulimie unterstützen können.
Unsere Expertenteams der Schön Kliniken sind auf die Behandlung von Erwachsenen und Jugendlichen mit gestörtem Essverhalten spezialisiert. Auch häufige Begleiterkrankungen wie Angststörungen oder Depressionen bei Jugendlichen gehen wir in unseren individuell gestalteten Therapieprogrammen an, sodass Betroffene Belastungssituationen in der Zukunft besser meistern können.
Ursachen & Symptome
Irrtümlicherweise gehen viele Menschen davon aus, dass soziale Medien und realitätsferne Schönheitsideale für den Anstieg von Essstörungen verantwortlich sind. Allerdings wirken bei einer Bulimie meist viele verschiedene Faktoren zusammen. Mögliche Ursachen und potenzielle Auslöser verstärken einander und sind für das Entstehen einer Ess-Brech-Sucht bei Jugendlichen entscheidend.
Wie erkennt man Bulimie bei Jugendlichen?
Die Bulimie gehört zusammen mit der Binge-Eating-Störung oder Anorexia nervosa (Magersucht) zu den häufigsten Essstörungen. Viele Eltern fragen sich: “Gibt es Unterschiede zwischen Bulimie und anderen Essstörungen bei Jugendlichen?” Die Antwort ist nicht immer ganz eindeutig. Denn: Die Störungsbilder lassen sich nicht immer klar gegeneinander abgrenzen und auch ein Abwechseln ist möglich.
Das Kernsymptom einer Bulimie sind Ess-Brech-Attacken, in denen Erkrankte zuerst große Nahrungsmengen zu sich nehmen und diese dann im Anschluss erbrechen. Für betroffene Jugendliche sind diese Essattacken und auch das anschließende, selbst herbeigeführte Erbrechen mit Scham und Schuldgefühlen verbunden. Sie verheimlichen ihr Verhalten häufig und suchen selten aktiv nach Hilfe bei Familienangehörigen. Eltern sollten hellhörig werden, wenn ihr Kind ein auffälliges Essverhalten mit verschiedenen Diäten an den Tag legt und ein verzerrtes Körperbild sowie eine große Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper zu erleben scheint.

● Diäten: Einer Bulimie gehen häufig verschiedene Diäten oder restriktive Ernährungsformen, wie etwa Low Carb oder Intervallfasten, voraus.
● Familiäres Umfeld: Nicht nur erbliche Risikofaktoren sind hier entscheidend. Ein gestörtes Essverhalten eines Elternteils oder anderer Angehöriger sowie eine besondere Betonung von Schlankheit können hier prägend sein.
● Traumatisierende Erlebnisse: Jugendliche, die bereits im Kindesalter Gewalt, Missbrauch oder Vernachlässigung erfahren haben, sind besonders anfällig für psychische Erkrankungen wie Bulimia nervosa.
● Spezifische Persönlichkeitsmerkmale: Kinder und Jugendliche, die unter einem geringen Selbstwertgefühl leiden, starken Perfektionismus zeigen und ihrem Äußeren besondere Aufmerksamkeit schenken, sind tendenziell anfälliger für eine Bulimie.
● Schönheitsideale: Auch in der Gesellschaft vorherrschende Schönheitsideale können das Entstehen einer Bulimie begünstigen.
Diese Risikofaktoren allein sind aber nicht für das tatsächliche Entstehen einer Bulimie verantwortlich. Damit die Erkrankung ausbricht, kommen in der Regel konkrete Ursachen und Stressoren hinzu. Häufig sind zum Beispiel:
● Starker persönlicher Stress oder Veränderungen: Prägende Ereignisse wie ein Umzug, die Trennung der Eltern, der Tod einer Vertrauensperson oder Mobbing können für das Entstehen einer Bulimie verantwortlich sein.
● Pubertät: Die Veränderung des Körpers sowie neue Herausforderungen und Erwartungshaltungen sind ebenfalls häufige Rahmenbedingungen für das Entstehen der Krankheit. Aber auch vor der Pubertät kann die Erkrankung auftreten, obwohl Bulimie bei Kindern eher selten ist.
Auch bei Jugendlichen entwickelt sich eine Bulimie schleichend. Folgende Symptome sind besonders typisch. Allerdings zeigt nicht jede Bulimie-kranke Person die gleichen Symptome.
● Essanfälle: Betroffene nehmen regelmäßig große Mengen an Nahrung in kurzer Zeit zu sich. Dabei haben sie oft das Gefühl, nicht mit dem Essen aufhören zu können und regelrecht die Kontrolle zu verlieren.
● Kompensatorische Maßnahmen (Purging): Um das eigene Gewicht zu kontrollieren und Essanfälle auszugleichen, greifen betroffene Jugendliche zu vermeintlich gewichtsreduzierenden Maßnahmen. Dazu zählen zum Beispiel selbst herbeigeführtes Erbrechen, übermäßiger Sport oder der Missbrauch von Abführmitteln. Der Teufelskreis aus unkontrollierbaren Heißhungerattacken und anschließenden Erbrechen ist charakteristisch für eine Bulimie.
● Verheimlichen & Verstecken: Teenager mit Bulimie schämen sich meist für ihre Essattacken und das anschließende Erbrechen. Deshalb versuchen sie, ihre Probleme vor anderen zu verbergen. Wenn große Essensmengen verschwinden oder sich Jugendliche nach dem Essen auffallend lange im Badezimmer aufhalten, können tiefgreifende Schwierigkeiten hinter diesem Verhalten stecken.
● Figur & Ernährung: Jugendliche mit Bulimie zeigen ein gesteigertes Interesse am eigenen Körper, dem Körpergewicht und verschiedenen Diäten. Dieses Interesse wird begleitet durch eine starke Unzufriedenheit mit dem eigenen Körper und einem verzerrten Körperbild.
● Gewicht: Betroffene zeigen ein übermäßiges Interesse an Diäten, exzessivem Sport und Schönheitsidealen, verlieren durch die Erkrankung aber in der Regel kein Gewicht. Jugendliche mit Bulimie haben größtenteils einen alterstypischen Body-Mass-Index, was das Erkennen des gestörten Essverhaltens erschwert. Auch leichtes Untergewicht oder Übergewicht sind möglich.
● Selbstbild: Menschen mit Bulimie verknüpfen ihr Selbstwertgefühl besonders häufig mit ihrem Gewicht. Sie leiden unter einem verzerrten Körpergefühl, streben ein Gewicht an, das unter einem gesunden Normalgewicht liegt und sind unzufrieden mit ihrer Figur.
● Krankheitsverlauf: Eine Bulimie muss nicht linear verlaufen. Phasen mit Essanfällen und häufigem Erbrechen stehen im Wechsel mit Phasen ohne Symptome.
Zu den körperlichen Folgeerkrankungen einer Bulimie im Jugendalter gehören unter anderem:
● Zahnschäden: Durch häufiges Erbrechen kommen die Zähne immer wieder mit der ätzenden Magensäure in Berührung. Das greift die Zahnsubstanz an und kann zu Karies, aber auch zu Zahnerosion führen.
● Schädigung der Speiseröhre: Ständiges Erbrechen ist für die Speiseröhre eine enorme Belastung. Die ätzende Magensäure führt zu Reizungen und Entzündungen. Besonders häufiges Erbrechen kann auch Risse in der Speiseröhre begünstigen. Auf Dauer steigt so – wie bei einer Refluxkrankheit – das Risiko für Speiseröhrenkrebs.
● Verdauungsbeschwerden: Die Essanfälle und der Missbrauch von (Abführ-)Medikamenten belastet den Magen-Darmtrakt. Magen-Darm-Probleme wie schwere Verstopfungen oder Durchfall können die Folge sein.
● Schädigung der Speicheldrüsen: Auch die Speicheldrüsen leiden unter den Brechanfällen. Sie können sich entzünden und anschwellen. Dadurch schwillt auch das Gesicht “mondförmig” an.
● Herz-Kreislauf-Probleme: Häufiges Erbrechen und der Missbrauch von Abführmitteln bringen den Elektrolythaushalt des Körpers durcheinander. Außerdem kann sich im Verlauf der Bulimie ein Nährstoffmangel entwickeln, der wiederum zu Herz-Kreislauf-Beschwerden führen kann. Auch Probleme bei der Konzentration, Zyklusstörungen und Haarausfall sind möglich.
Neben den körperlichen Folgeerkrankungen haben Jugendliche mit Bulimie meist zusätzlich mit psychischen Begleiterkrankungen zu kämpfen:
● Depressionen: Depressive Verstimmungen und auch schwere Depressionen sind besonders häufige Begleiterscheinungen bei einer Bulimie. Stimmungsveränderungen und Stimmungsschwankungen können für Angehörige oftmals ein erstes, sichtbares Anzeichen für die Erkrankung sein.
● Angststörungen: Panikattacken und auch generalisierte Angststörungen sind bei Jugendlichen mit Bulimie besonders häufig.
● Zwangsstörungen: Auch Zwangsstörungen mit zwanghaften Gedanken und/oder Handlungen können eine Bulimie begleiten. Die Zwänge beziehen sich vor allem auf das Essen und das eigene Körpergewicht.
Eine Bulimie ist eine ernsthafte Erkrankung und keine Phase. Jugendliche mit Bulimie benötigen fast immer Unterstützung und professionelle Hilfe, um gesund zu werden. Je früher, desto besser – eine unbehandelte Bulimie kann langfristig zu schweren Gesundheitsrisiken und Folgeerkrankungen führen.
Diagnostik
Um eine Bulimie bei Jugendlichen zu erkennen und therapieren zu können, sollten Erziehungsberechtigte Experten der Jugendpsychosomatik hinzuziehen. In einem persönlichen Gespräch mit Eltern und Jugendlichen besprechen wir die Symptome und nutzen standardisierte, psychologische Fragebögen und Testverfahren für eine zuverlässige Diagnose. Dabei beziehen wir auch das Ess- und Bewegungsverhalten sowie die Gewichtsentwicklung mit ein. Eine körperliche und laborchemische Untersuchung ist notwendig, um mögliche organische Erkrankungen auszuschließen und bereits entstandene Folgeschäden zu identifizieren.